Freistellung und Anrechnung von Berufsschulzeiten

Seit dem 1.1.2020 gelten für alle Auszubildenden die Regelungen, die bisher nur für minderjährige Azubis (gem. den §§ 9, 10 JArbSchG [Jugendarbeitsschutzgesetz]) galten. Die Freistellung und Anrechnung der Ausbildungszeit wird nun auch für volljährige Auszubildende gesetzlich geregelt (§ 15 BBiG [Berufsbildungsgesetz]). 
Wie werden die Neuerungen im Ausbildungsalltag richtig angewendet?

– Freistellung –
Der Ausbildungsbetrieb muss seinen Auszubildenden die Teilnahme am Unterricht ermöglichen und darf sie während dieser Zeit nicht beschäftigen. Die Freistellung von der betrieblichen Ausbildung umfasst auch die Zeiträume, die in unmittelbaren oder untrennbaren Zusammenhang mit dem Berufsschulunterricht stehen. Dies sind Wegezeiten, Schulpausen, aber auch die Zeiten des notwendigen Verbleibs an der Berufsschule während der Unterrichtsfreizeit (unvorhergesehener Unterrichtsausfall wegen Krankheit des Lehrers oder stundenplanmäßige Freistunde).

Die Pflicht zur Freistellung für das Lernen berufsschulischer berufsbezogener Kenntnisse gilt auch für Fälle, in denen kein Unterricht in der üblichen schulischen Umgebung erteilt werden kann, so wie z. B. während der Corona-Pandemie vielfach geschehen.

Auszubildende sind an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden (also mit mindestens sechs Unterrichtsstunden) einmal in der Woche von der betrieblichen Ausbildung freizustellen. Die Freistellung erfolgt also pauschaliert für den gesamten Tag.

Sind beide Berufsschultage der Woche „lang“ (also mit mindestens sechs Unterrichtsstunden), liegt es im Direktionsrecht des Ausbildenden, an welchem der beiden Tage freigestellt wird.

Beginnt der Unterricht vor 9 Uhr, dürfen Auszubildende an diesem Tag vorher nicht beschäftigt werden (§ 15 Abs. 1 BBiG).

– Anrechnung – 
Von der Freistellung zu unterscheiden ist die Anrechnung der Berufsschulzeit. 
Die Anrechnungspflicht gilt auch dann, wenn die Berufsschulzeit außerhalb der betrieblichen Ausbildungszeit liegt.

Anzurechnen ist grundsätzlich die Unterrichtszeit einschließlich der Pausen. Dabei bleibt die Wegezeit unberücksichtigt. Nicht anrechnungsfähig sind auch Unterbrechungen der Berufsschulzeit, die keine Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden sind. 
Zudem wird der lange Berufsschultag (an dem pauschaliert ganztägig freigestellt wird) pauschal mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit angerechnet.


FAQs zur Freistellung und Anrechnung von Berufsschulzeiten

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  • Was ist die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit und wie wird sie berechnet?

    Die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit ist die Zeit, die Auszubildende durchschnittlich pro Tag ausgebildet werden.

    Formel:    
    Summe der Wochenstunden : Tage der Beschäftigung

    Beispiel:     
    38,5 Wochenstunden : 5 Arbeitstage = 7,7 Stunden

    Anwendungsbeispiel: 
    Die Auszubildende hat dienstags und freitags Berufsschule mit jeweils sechs Unterrichtsstunden in der Zeit von 7:50 Uhr bis 13:05 Uhr (5 Stunden, 15 Minuten). Für den Weg von der Berufsschule zur Praxis benötigt die Auszubildende 20 Minuten. 
    Die Auszubildende arbeitet 38,5 Stunden in der Woche, die tägliche durchschnittliche Ausbildungszeit beträgt 7,7 Stunden. 
    Am Dienstag kommt die Auszubildende nach der Berufsschule zurück in die Praxis. Dabei wird ihr der Berufsschulbesuch mit 5 Stunden und 15 Minuten angerechnet.
    Der Berufsschulbesuch am Freitag wird mit 7,7 Stunden angerechnet, obwohl die Schulzeit 5 Stunden und 15 Minuten beträgt und die betriebliche Ausbildungszeit am Freitag lediglich 5 Stunden betragen würde.

  • Was ist, wenn der „lange“ Berufsschultag länger dauert, als die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit?

    Auch bei tatsächlich höherem Zeitaufwand für den Berufsschulbesuch wird nur die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit angerechnet.

  • Wie wird die Wegezeit bei der Anrechnung berücksichtigt?

    Gar nicht mehr. Anzurechnen ist die Berufsschulunterrichtszeit einschließlich der Pausen. Der Gesetzestext ist hier eindeutig und abschließend. Die Wegezeit von und zu der Berufsschule ist nicht (mehr) anrechnungsfähig.

  • Wie ist die Regelung, wenn an beiden Berufsschultagen der Woche mehr als fünf Unterrichtsstunden planmäßig vorgesehen sind?

    Dann sind Auszubildende verpflichtet, an einem der beiden Tage wieder in den Ausbildungsbetrieb zurückzukehren. Der Ausbildungsbetrieb bestimmt, an welchem Tag dies der Fall ist.

  • Muss die Freistellung zwingend an einem Berufsschultag erfolgen?

    Ja. Die Freistellung wird nicht dadurch beeinflusst, dass branchenbedingt bereits ein anderer Tag oder Nachmittag (keine Sprechstunde nachmittags am Mittwoch und/oder Freitag) in der gleichen Woche (für alle Mitarbeiter) frei ist.

  • Wie verhält sich die Freistellungs- bzw. Anrechnungsregelung bei Unterrichtsausfall?

    Dafür freizustellen aber nicht anrechnungsfähig sind Unterbrechungen, die keine Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden sind, also dann, wenn die Auszubildenden alle Freiheiten haben, das Schulgelände zu verlassen, um z. B. private Besor-gungen nachzugehen (Unterrichtsfreizeit). 

    Fallen z. B. die letzten beiden Unterrichtstunden aus, dann sind die ausgefallenen Stunden nicht anrechenbar. Hier entfällt dann auch die Freistellungspflicht (für den ausgefallen Unterricht bzw. den ganzen Tag). Die Auszubildenden können dann noch betrieblich ausgebildet werden.

  • Was geschieht, wenn ein ganzer Berufsschultag Unterricht ausfällt, z. B. bei einem beweglichen Ferientag in der Woche?

    Wie in den Schulferien üblich, findet dann betriebliche Ausbildung statt. Für den weiteren Berufsschultag der Woche greift dann der Freistellungsanspruch bzw. das Beschäftigungsverbot, sofern mindestens sechs Unterrichtsstunden erteilt werden. In der Kalenderwoche gibt es dann ja nur einen Berufsschultag.

  • Impliziert die Freistellungsregelung für Volljährige ein Beschäftigungsverbot?

    Nein. Während für jugendliche Auszubildende gem. § 9 Abs. 1 JArbSchG ein Beschäftigungsverbot an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten einmal pro Woche für den Rest des Tages besteht, haben Volljährige für diesen Berufsschultag einen Freistellungsanspruch gem. § 15 (1) 2. BBiG.

  • Was ist zu tun, wenn durch die Neuregelung die vertraglich vereinbarte wöchentliche Ausbildungszeit nicht erfüllt werden kann?

    Die Auszubildende hat einen Anspruch auf Ausbildung und Erfüllung der vertraglich vereinbarten Ausbildungszeit, denn die Hauptleistungspflicht eines Ausbildungsbetriebes gegenüber dem Auszubildenden ist die Vermittlung der beruflichen Handlungsfähigkeit.

    Anrechnungsfähig und zulässig sind auch Zeiten der Beschäftigung, die außerhalb der üblichen Sprechzeiten liegen. Außerhalb der Sprechstunde könnten gut Verwaltungsarbeiten erledigt und der Ausbildungsnachweis geführt werden. 

    Auszubildende und Ausbildungsbetrieb können vereinbaren, dass gesetzlich zulässige Ausbildungszeiten nach der Berufsschule zeitlich auf andere Arbeitstage der Woche verschoben werden. Allerdings darf dabei die gesetzlich beschränkte Ausbildungszeit nicht überschritten werden. Für Jugendliche kann die maximale Arbeitszeit laut Manteltarifvertrag auf bis zu 9 Stunden täglich verlängert werden, bei Erwachsenen ausnahmsweise bis zu 10 Stunden (§ 3 ArbZG). Die Anleitung muss während dieser Zeit gewährleistet sein.

  • Dürfen Auszubildende vor der Berufsschule beschäftigt werden?

    Nur dann, wenn der Unterricht um oder nach 9 Uhr beginnt. Beginnt der Unterricht vor 9 Uhr, greift für alle Auszubildenden altersunabhängig ein Beschäftigungsverbot.

  • Der schriftliche Teil der Abschlussprüfung findet an einem Montag statt. Kann der Auszubildende die Freistellung am letzten Arbeitstag vor der Prüfung, also am Freitag, verlangen?

    Nein, denn der Tag vor der Prüfung ist der Sonntag. Der Prüfung geht also kein Arbeitstag unmittelbar voran.