Jürgen Herdt: Zwei Jahre Kenntnisprüfung. Mit (Planungs-)Sicherheit zum Prüfungsziel

Von Jürgen Herdt, Stabsstelle für Planung und Entwicklung der ÄKWL

Im Rahmen eines Approbationsverfahrens müssen Ärztinnen und Ärzte, die ihren Hochschulabschluss in einem Land außerhalb der EU („Drittstaat“) erworben haben, dann eine Kenntnisprüfung absolvieren, wenn der Hochschulabschluss aufgrund wesentlicher Unterschiede im Curriculum der entsprechenden Hochschule nicht als gleichwertig anerkannt werden kann und die Unterschiede nicht bereits durch Berufserfahrung ausgeglichen worden sind. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von monate-, in einzelnen Fällen sogar über ein Jahr langen Wartezeiten hatte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) die Durchführung der Kenntnisprüfung neu organisiert und die Zuständigkeit für ganz Nordrhein-Westfalen ab dem 5. Februar 2021 auf die ÄKWL übertragen. Seither prüft die ÄKWL die Kandidatinnen und Kandidaten, die von der Zentralen Anerkennungsstelle für approbierte Heilberufe (ZAG-aH)1 angemeldet werden.

Standen im ersten Jahr der Aufgabenübertragung vor allem der organisatorische Strukturaufbau und der Abbau des durch die ÄKWL übernommenen Antragsbergs im Vordergrund, so hieß die Maxime im zweiten Jahr insbesondere Verstetigung der Verfahrensprozesse und der fachlich-inhaltlichen Standards. Der Blick zurück auf das zweite Jahr zeigt: Die Ziele wurden erreicht. Organisatorisch kann auf einen verlässlichen Prüfungsbetrieb gesetzt werden. 2022 wurden an 49 Prüfungstagen 570 Kenntnisprüfungen abgenommen. Fachlich konnte ein entlang den rechtlichen Vorgaben gesichertes Anforderungsniveau etabliert und gewährleistet werden: Die Prüfung, die die ÄKWL für ganz Nordrhein-Westfalen durchführt, gilt als Qualitätsausweis und damit als Fundament für eine gelingende berufliche Integration.

Anhaltend hohe Mitwirkungs­bereitschaft der Prüfenden

Ausschlaggebend für die Zielerreichung war das anhaltend hohe Engagement der insgesamt 72 aktiven Prüferinnen und Prüfer bei den zeitlich aufwendigen Kenntnisprüfungen. Der Vorstand der Ärztekammer hatte im Einführungsjahr in insgesamt fünf Runden die Mitglieder der Prüfungskommission berufen. Die kontinuierliche Mitwirkungsbereitschaft hat eine zusätzliche Erweiterung nicht erforderlich gemacht. Bedarfsadaptiert fanden 2022 monatlich zwischen drei und fünf Prüfungstage statt, an denen jeweils vier Prüfungsausschüsse an den Start gingen. Trotz des – insbesondere in den Anfangsmonaten des zurückliegenden Jahres – noch durch die Corona-Pandemie geprägten Organisationsrahmens musste von Seiten der ÄKWL keine Prüfung abgesagt werden.

Nachdem zu Beginn der Aufgabenübertragung im Hinblick auf die Abarbeitung des Antragsbergs je Quartal bis zu 200 Kenntnisprüfungen abgenommen wurden, hat sich 2022 die quartalsbezogene Prüfungszahl zwischen 130 und 160 eingependelt (s. Abbildung). Mit der verlässlichen Einsatzbereitschaft und Flexibilität der Kommissionsmitglieder konnte ein der Terminnachfrage der Kandidatinnen und Kandidaten angepasstes Prüfungsangebot jederzeit sichergestellt werden. Damit ist es auch 2022 gelungen, die Wartezeit auf einen Prüfungstermin auf ein Minimum zu reduzieren. Die ÄKWL kann allen Interessenten einen Prüfungstermin im jeweiligen Wunschmonat, spätestens im Folgemonat, garantieren. Bei Bedarf können die Prüfkapazitäten auch kurzfristig auf monatlich 84 Prüfungen (jährlich 1008 Prüfungen) „hochgefahren“ werden.

Planungssicherheit für zielgerichtete Vorbereitung

Die ÄKWL gewährleistet mit dieser Termin-Garantie einen Organisationsrahmen, der eine zielgerichtete Vorbereitung auf die anspruchsvolle Prüfung für jeden Kandidaten bzw. jede Kandidatin zulässt. War es früher nicht selten so, dass lange auf die Terminzuteilung gewartet und dann die Prüfung vergleichsweise kurzfristig angetreten werden musste, ist jetzt Planungssicherheit gegeben. Jeder Kandidat bzw. jede Kandidatin kann nun für sich selbst entscheiden, wann der geeignete Zeitpunkt für die Kenntnisprüfung ist, die Vorbereitungen darauf ausrichten und sich darauf verlassen, dass dann auch die Prüfung angetreten werden kann. 

Die ZAG-aH erteilt auf Antrag eine zeitlich befristete Berufserlaubnis nach § 10 Abs. 1 Bundesärzteordnung (BÄO), die eine Teilhabe am ärztlichen Berufsalltag eröffnet, allerdings ausdrücklich nur zur Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung ausgestellt wird. Und genau dafür sollte sie genutzt werden! Einfach mit einer Beschäftigung „loszulegen“, birgt die große Gefahr, die Inhalte der Kenntnisprüfung, die anzueignen sind, aus den Augen zu verlieren. Denn gemäß § 37 der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) umfasst die Kenntnisprüfung – ungeachtet der jeweiligen Vorkenntnisse und der zukünftig angestrebten Facharztkompetenzen der Kandidatinnen und Kandidaten – die Fächer Innere Medizin und Chirurgie als Kernbereiche der ärztlichen Ausbildung. Ergänzend werden bei den Fragestellungen Aspekte berücksichtigt, die sich auf die Notfallmedizin, die klinische Pharmakologie bzw. Pharmakotherapie, bildgebende Verfahren, den Strahlenschutz und Rechtsfragen der ärztlichen Berufsausübung beziehen. Das Anforderungsniveau der Kenntnisprüfung ist am Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung orientiert.

Die Möglichkeiten, die eine Berufserlaubnis bietet, sollten vorrangig auf diese Inhalte ausgerichtet werden, was auch die ZAG-aH im Text der Berufserlaubnis ausdrücklich empfiehlt. Neben einem Wahlfach sollte man sich Einblick in die Gebiete Chirurgie und Innere Medizin verschaffen. Die Strategie, sich strukturiert und ohne unnötige Verzögerungen das Wissen und die Fertigkeiten für die Kenntnisprüfung anzueignen, führt zügig zur Approbation, die dann die Freiräume für die persönliche Spezialisierung schafft. Dies alles muss nicht überhastet geschehen, sondern sollte gut überlegt und geplant werden. Die Erfahrungen der ÄKWL aus den beiden Jahren seit der Aufgabenübertragung lassen davor warnen, die Dauer einer Berufserlaubnis maximal zu nutzen und sich erst am Ende Gedanken über die Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung zu machen. Geht etwas schief, verliert man schnell die Anbindung an das ärztliche Berufsfeld und ist letztlich auf sich selbst gestellt. Auch der finanzielle Rahmen, der sich aus einer Tätigkeit mit Berufserlaubnis ergibt, bricht weg und macht die Situation für viele Kandidatinnen und Kandidaten nicht einfacher. Schiebt man den Termin vor sich her, führt dies zu Verunsicherung und psychischer Belastung, was unnötig ist und vermieden werden sollte.

Zielführender ist, Selbstbewusstsein aus guter und strukturierter Vorbereitung zu schöpfen, den Prüfungstermin ins Auge zu fassen und sich dann auch der Prüfung zu stellen. Gerade vor der ersten Prüfung, die spätestens 12 bis 15 Monate nach Erteilung einer Berufserlaubnis folgen sollte, sollte es keine Hemmschwellen geben. Wird sie bestanden, liegen bereits zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Approbation vor. Wird die Prüfung nicht bestanden, erhält man über die eigene Selbsteinschätzung hinaus ein fundiertes Feedback über den persönlichen Kenntnisstand. Es bleibt dann ausreichend Zeit, sich entsprechend fokussiert auf eine Wiederholungsprüfung vorzubereiten.

Neben Eigenverantwortung ist ein unterstützendes Umfeld sehr hilfreich. So können Krankenhäuser oder Praxen Kandidatinnen und Kandidaten mit Schulungs- oder Qualifizierungsmöglichkeiten oder Rotationskonzepten helfen. 

Kenntnisprüfung: bewährtes praxisorientiertes Verfahren

Bei den praxisorientierten Prüfungen der ÄKWL kommen sogenannte Fallkonzepte und Schauspielpatientinnen und -patienten zum Einsatz. Das Prüfungsgespräch wird dabei durch fallbezogene Bildgebung, Befunde und darüber hinausgehende Materialien ergänzt, die an einem Prüfungstag bei allen Kandidatinnen und Kandidaten im gleichen Umfang zur Verfügung stehen. Damit ist es möglich, die Prüfungsabläufe und -inhalte in stärkerem Maße zu vereinheitlichen, womit auch eine zusätzliche qualitätssichernde Komponente einhergeht. Aus dem Kreis der Kommissionsmitglieder wird die Besetzung der dreiköpfigen Prüfungsausschüsse vorgenommen, bei denen jeweils mindestens eine Ärztin oder ein Arzt mit einer chirurgischen beziehungsweise einer internistischen Facharztbezeichnung vertreten ist.

Seit der Aufgabenübertragung durch das MAGS fanden an insgesamt 102 Prüfungstagen 1155 Kenntnisprüfungen und zwei Eignungsprüfungen statt.2 591 Kandidatinnen und Kandidaten konnten sich bisher über einen Prüfungserfolg bei der ÄKWL freuen. Die auf die Prüfungszahl bezogene Nicht-Bestehensquote liegt damit bei 48,9 Prozent.3 Sie liegt bei Erstprüfungen etwas über dem Durchschnitt und nimmt mit der Zahl der Wiederholungsprüfungen deutlich ab. Die Kenntnisprüfung kann insgesamt zweimal wiederholt werden. Nur wenige Kandidatinnen und Kandidaten haben die Prüfung auch im dritten Versuch nicht geschafft. Alle anderen Kandidatinnen und Kandidaten stehen vor einer Wiederholungsprüfung.

Etwas mehr als zwei Drittel der Prüflinge haben ein Examen in einem der folgenden zwölf Länder absolviert (in absteigender Häufigkeit): Syrien, Indien, Iran, Russland, Ägypten, Türkei, Serbien, Ukraine, Albanien, Kosovo, Aserbaidschan, Tunesien. 

Die Anmeldung zur Kenntnisprüfung erfolgt durch die Antragstellenden ausschließlich bei der ZAG-aH, welche die Anmeldungen an die ÄKWL übermittelt. Dies gilt für Erst- wie für Wiederholungsprüfungen. Die ÄKWL schreibt die Kandidatinnen und Kandidaten an und bittet um eine Rückmeldung zum Wunschzeitraum für die Prüfung. Orientiert an diesem Wunschzeitraum lädt die ÄKWL zur Prüfung. Diese Ladung wird derzeit fünf bis sechs Wochen vor der Prüfung und damit weit vor dem rechtlich zulässigen Zeitrahmen verschickt. 

Hier finden Sie wetere Informationen zur Kenntnisprüfung der ÄKWL.

Fußnoten

1 Die ZAG-aH ist der für die approbierten Heilberufe zuständige Teilbereich der Zentralen Anerkennungsstelle für Gesundheitsberufe (ZAG). Die ZAG wurde auf der Grundlage eines fraktionsübergreifenden Kabinettbeschlusses vom 25.06.2019 mit der Zielsetzung einer Zentralisierung und Beschleunigung der Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse bei der Bezirks­regierung Münster eingerichtet und ist seit dem 01.07.2020 für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig.

2 Datenstand: 15. Februar 2023. In der Gesamtzahl werden zwei Eignungsprüfungen mitgezählt. In vergleichsweise seltenen Fällen wird auch ein in einem Mitgliedsstaat der EU erworbenes oder dort anerkanntes Hochschulexamen nicht als gleichwertig anerkannt. Dann ist eine sogenannte Eignungsprüfung erforderlich, für die die ÄKWL ebenfalls zuständig ist. Die Eignungsprüfungen sind im organisatorischen Ablauf den Kenntnisprüfungen ähnlich, unterscheiden sich im Hinblick auf die Prüfungsinhalte jedoch deutlich. Im vorliegenden Artikel wird ausschließlich auf die Kenntnisprüfungen Bezug genommen.

3 Der Erfolg bei Wiederholungsprüfungen wird mit dem abgebildeten Wert nicht ausgedrückt. Anders als bei den Fachsprachenprüfungen können stichtagsbezogene Angaben wegen Verzerrungen durch die Übernahme laufender Prüfverfahren im März 2021 noch nicht belastbar ermittelt werden.