„Ernsthaft über einen Volksentscheid nachdenken“: Windhorst fordert gesellschaftliche Debatte über Widerspruchslösung bei Organspenden

Die aktuelle Entwicklung der Organspendezahlen ist nach Aussage des Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. med. Theodor Windhorst, alarmierend. Erstmals seit Jahren waren die Spenderzahlen 2008 wieder rückläufig. Die Zahl der Organspender sank von 16 pro Million Einwohner im Jahr 2007 auf 15 im vorigen. Deshalb fordert Windhorst eine erneute gesellschaftspolitische Diskussion über die Einführung der erweiterten Widerspruchslösung bei Organspenden. Die generelle Bereitschaft zur Organspende sei in der Bevölkerung unverändert hoch und liege bei etwa 80 Prozent, dennoch gingen die Organspenden zurück, klagt Windhorst. Und vor allem: Nur etwa 14 Prozent der Deutschen besitzen einen Organspendeausweis und haben damit nach der derzeit herrschenden Zustimmungslösung ihre Bereitschaft zur Spende dokumentiert. „Diese Diskrepanz können wir uns nicht länger leisten, die Wartezeit für ein neues Organ hat sich schließlich von drei auf fünf Jahre verlängert“, kritisiert der Kammerpräsident. Wenn die politischen Entscheidungsträger keine verbesserten Rahmenbedingungen schaffen könnten, „sollte man ernsthaft über die Möglichkeit eines Volksentscheids zum Thema Organspende nachdenken“.

Windhorst fordert deshalb, die Diskussion über die erweiterte Widerspruchslösung wieder aufzunehmen. Die Widerspruchsregelung bedeutet: Wenn kein ausdrückliches Nein zur Organspende vorliegt, kann der Arzt vom Einverständnis des Verstorbenen zur Organentnahme ausgehen. Diese Regelung werde, so Windhorst, um eine Veto-Möglichkeit für Angehörige erweitert. Bei dem Thema Organspende müsse aber unbedingt der Wille des Patienten berücksichtigt werden, sofern er geäußert wurde. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten werde in keiner Weise durch die Widerspruchslösung beeinträchtigt. Auch von dem nationalen Deutschen Ethikrat werde das Modell der Widerspruchsregelung befürwortet.

„Wir müssen die Menschen für dieses wichtige Thema sensibilisieren und dadurch Ängste abbauen. Das geht nur durch ausführliche Information und Auseinandersetzung mit der Organspende.“ Es könne zudem nicht sein, dass pro Jahr etwa 150 Organe nach Deutschland importiert würden, sagt Windhorst – meist eben aus Ländern mit Widerspruchslösung, die derzeit in Europa in Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn gilt. Spitzenreiter in der Statistik ist Spanien, wo pro eine Million Einwohner 30 Organspenden gezählt werden. In Deutschland sind es lediglich 15 pro Million. Windhorst: „Das macht den Unterschied zwischen Widerspruchs- und unserer Zustimmungslösung aus.“

Auf der Warteliste für Organspenden stehen etwa 12.000 Menschen, die auf ein neues und lebensrettendes Organ hoffen, aber nur etwa 4000 werden jährlich gespendet. „Jeden Tag sterben drei Menschen, weil kein Spenderorgan für sie gefunden werden konnte“, sagt Windhorst. „Das sind 1000 vermeidbare Schicksale pro Jahr.“

Allein in Nordrhein-Westfalen ist ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Im Gegensatz zum weiteren Bundesgebiet stieg hier im vergangen Jahr die Zahl der Organspenden. Von Januar bis November wurden 238 Organe gespendet, dies sind 18 mehr als im gleichen Zeitraum 2007. „Wenn es NRW nicht gäbe, sähe es in Deutschland noch trauriger aus“, sagt Windhorst, der diese Entwicklung auch auf die intensiven Debatten zur Organspende im Land zurückführt. „Durch die konzertierten Aktionen gemeinsam mit dem Land und der Deutschen Stiftung Organtransplantation haben wir viel erreichen können. Aber wir müssen weiter machen.“