„Wer Kinderschutz im ärztlichen Alltag realisieren will, darf nicht von der Schweigepflicht ausgebremst werden.“ Mit diesen Worten begrüßt der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst, den Entwurf des Bundeskabinetts für ein neues Kinderschutzgesetz, in dem bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung die ärztliche Schweigepflicht gelockert wird. „Kinderrecht geht vor Datenschutz. Das neue Gesetz bringt dafür die nötige Klarheit“, so Windhorst.
Beim Verdacht auf eine Gesundheitsgefährdung von Kindern etwa durch Misshandlung oder Vernachlässigung können Ärzte zukünftig umgehend und ohne Zustimmung der Eltern das Jugendamt informieren. Bislang war das nur möglich, wenn eine akute oder nicht abwendbare Gefahr für das Kind bestand. „Oft waren Kinderärzte zum Schweigen verdonnert und konnten nicht helfen“, kritisiert Windhorst. „Oder sie liefen Gefahr, sich strafbar zu machen. Sie wurden damit zum Sklaven der sonst so wichtigen Schweigepflicht.“ Dieser unhaltbare Zustand werde durch den Gesetzentwurf der Bundessregierung nun beendet.
Für Windhorst ist das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten, den Eltern und den jungen Patienten ein hohes und unverzichtbares Gut. Dieses Vertrauen basiere auch auf der Kenntnis der ärztlichen Schweigepflicht, werde aber durch das neue Gesetz nicht gefährdet. Bei gravierenden Verdachtsmomenten für eine Kindeswohlgefährdung gelte allerdings: „Kinderrecht geht auch vor Elternrecht.“ Schließlich nehme die Ärzteschaft eine zentrale Rolle für die gesunde Entwicklung von Kindern ein.
Was beim ersten „Forum Kinderschutz“ der Ärztekammer im vergangenen Jahr bereits gefordert wurde, könne nun zum tragen kommen: nämlich eine zentrale Datenbank für Ärzte, die Fallsammlungen von Kindesmisshandlungen für den innerärztlichen Austausch beinhaltet. „Eine Risiko-Datei für misshandelte Kinder kann das so genannte Doktor-Hopping verhindern, mit dem sich auffällige Eltern oft der Kontrolle entziehen.“
Der Kammerpräsident fordert erneut ein Hilfe-Netzwerk zur Verbesserung der Kinder- und Jugendgesundheit bestehend aus Ärzten, Gesundheitsämtern, Jugendämtern, sozialen Diensten, Hebammen, Kindergärten und Schulen. Kinderschutz sei eine „gesellschaftliche Querschnittsaufgabe“ und verlange ein „flächendeckendes multi-professionelles Netzwerk“. Um solche Verbindungen und Kontakte zu fördern, veranstaltet die Ärztekammer Westfalen-Lippe am 28. März in Recklinghausen das „2. Forum Kinderschutz“, bei dem zum Beispiel Indizien für mögliche Kindesmisshandlungen, die Aspekte früher aufsuchender Hilfen sowie die Erfahrungen mit der Meldepflicht der Ärzte bei Kinderfrüherkennungsuntersuchungen erörtert werden. Das Forum richtet sich unter anderem an Ärzte, Psychologen oder Juristen, ist aber auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich.