Staat in der Verantwortung für die öffentliche Daseinsfürsorge - Kammerversammlung warnt vor Verharmlosung des Ärztemangels

Der Ärztemangel ist da, wird in den Krankenhäusern und für die Praxen insbesondere in den ländlichen Regionen immer gravierender und darf nicht verharmlost werden. Diese Feststellung traf die Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe heute in Münster. Das Parlament der westfälisch-lippischen Ärzteschaft sprach sich einstimmig dafür aus, die Rahmenbedingungen für die ärztliche Aus- und Weiterbildung so zu ges-talten, dass eine ausreichende Anzahl an Absolventen des Medizinstudiums den Weg in die kurative Medizin findet.

„Der Ärztemangel ist virulent. Wir können es uns gerade in einer Gesellschaft des langen Lebens nicht weiter leisten, dass immer mehr Jungmediziner nach dem Examen oder der Weiterbildung ins Ausland oder in fachfremde Berufsfelder außerhalb der Kuration ab-wandern und somit für die Patientenversorgung in Praxen und Krankenhäusern verloren gehen“, sagte Kammerpräsident Dr. Theodor Windhorst vor der Versammlung. Die Zahl derjenigen, die ihr Studium erfolgreich beendeten, dann aber nicht in die Weiterbildung am Krankenhaus einstiegen, sei mit 15 bis 18 Prozent erschreckend hoch, wie bereinigte Zahlen der HIS-Studie zeigen. In Nordrhein-Westfalen sind über 1000 klinische und 480 ambulante Arztstellen unbesetzt, in Deutschland fehlen insgesamt 5000 Krankenhaus-ärzte. Die von den Krankenhäusern in Auftrag gegebenen und bezahlten Stellenanzeigen im Deutschen Ärzteblatt sprechen nach Ansicht Windhorsts eine deutliche Sprache: Die Ärzte fehlen zur Weiterbildung in den Fachabteilungen. „Oder warum geben die Kliniken so viele Euros für diese Anzeigen aus?“ Auch die steigende Zahl der Honorarärzte, deren Stundengehälter die Vergütungen der festangestellten Ärzte bei weitem überschritten, sei ein sicheres Zeichen für den gravierenden Ärztemangel. „Freiwillig zahlen die Klinik-verwaltungen diese Gehälter nicht.“

Die Kammerversammlung wendete sich mit ihrem Votum auch gegen Behauptungen, der Ärztemangel sei mehr ein Verteilungsproblem als wirklicher Mangel. In dieser Richtung hatte sich zuletzt das Herbstforum der ’Deutschen Hochschulmedizin’, ein Zusammen-schluss des Medizinischen Fakultätentages (MFT) und des Verbandes der Universitätskli-nika (VUD) geäußert. Auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, hatte dies in der Vergangenheit behauptet, obwohl eine unabhängige Instituti-on wie PricewaterhouseCoopers den Fachkräftemangel vorrechnet.

Windhorst: „Wer sagt, der Ärztemangel sei eine Fata Morgana, hat das Problem nicht erkannt oder er verdrängt es mit Zahlenspielereien. Wir wollen den Arztberuf erhalten, er ist schließlich der schönste Beruf der Welt. Aber wir Ärzte brauchen akzeptable Rah-menbedingungen für die Patientenversorgung. Da ist der Staat in der Verantwortung für die öffentliche Daseinsfürsorge.“

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe forderte zur Abwendung des Ärztemangels eine Reform des Medizinstudiums, die Zahl der Studienplätze an die Versorgungsrealität anzupassen und die Arbeitsbedingungen für Mediziner in den Kran-kenhäusern und Praxen in der Weiterbildung zu verbessern.